Montag, 26. September 2011

Baugruppe zerstört Kleingärten. - Widerspruch.


Offene Antwort an die Bauherrengemeinschaft HuE

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben mir einen offenen Brief der Bauherrengemeinschaft Himmel und Erde in dem Wissen zugesandt, dass ich das Projekt „aus vielen Gründen“, wie Sie schreiben, ablehne. Sie verbinden dies mit der Bitte einer „möglichst offenen Lektüre“. Ich habe Ihre beiden offenen Briefe „möglichst offen“ gelesen und mir viel Zeit zum Bedenken und Antworten genommen. So sehr ich Ihre Argumente und Sichtweise
nachzuvollziehen mich bemühte, blieb der Gesamteindruck, dass Sie sich zu sehr auf Ihre Ziele und Interessen fokussieren und dabei andere Zusammenhänge und Interessenlagen, die das von Ihnen verfolgte Bauvorhaben berühren, weitgehend ausblenden.

Baugruppen sind private Investoren.
Es beginnt mit Ihrem auffälligen Betonen, dass Sie doch keine „bösen“ Investoren seien, sondern eine „gute“ Baugruppe mit dem unterstützenswerten Ziel, für junge Familien hochwertigen und ökologisch anspruchsvollen Wohnraum in der Innenstadt zu schaffen. Sie bemühen sich, durch den Terminus „Baufamilien“ von dem vermeintlich negativ beleumundeten „Bauinvestoren“ abzusetzen. Tatsächlich aber entziehen Sie sich damit, gewollt oder unbeabsichtigt, der Auseinandersetzung mit Ihrer sozialen Verantwortung als Unternehmer. Sie sind Unternehmer und Investoren im Wortsinn. Sie wollen eine wirtschaftliche Unternehmung realisieren: ein Grundstück kaufen, Architekten und Baufirmen beauftragen, die Finanzierung aus Eigen- und Fremdmitteln aufbringen ... etc.. Sie haben wie jeder Investor bei Ihrer Unternehmung Chancen und müssen zugleich die Risiken tragen.

Investoren haben unterschiedliche Rechtsformen. Dies kann auch eine Bauherren- Wohneigentümergemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein, wie in Ihrem Falle. Einen Unterschied zwischen Ihnen und herkömmlichen Bauinvestoren besteht wohl darin, dass die meisten Teilnehmer Ihrer Bauherrengemeinschaft hinsichtlich dieser Unternehmung Anfänger und Laien sind. Deshalb bedienen Sie sich der Hilfe von professionellen Beratern bei der Realisierung Ihres Vorhabens. Nur, Aufgaben, Pflichten und Verantwortung des Investors liegen vollständig bei Ihnen als Bauherrengemeinschaft.

Interessenkonflikt
Das von Ihnen verfolgte Ziel, für sich und für andere Eigentumswohnungen zu bauen, die den Ansprüchen von Familien und modernen ökologischen Standards gerecht werden, ist uneingeschränkt respektabel. Sie treten dabei bewusst in einen Interessenkonflikt mit den aktuellen Nutzern dieser Flächen, den Kleingärtnern. Die Interessen der Kleingärtner sind vor der Hand, wie die Ihren und die des Grundstückseigentümers, private Interessen. Nun fragen Sie mich, warum ich in diesem Konflikt privater Interessen als Wahlbeamter und Träger eines öffentlichen Amtes für eine Seite, nämlich die der Kleingärtner, Partei ergreifen könne. Abgesehen von meinem gesellschaftspolitischen Selbstverständnis als linker Politiker ist dies in der politischen und rechtlichen Privilegierung des Kleingartenwesens in Deutschland begründet. Kleingärten stellen ein öffentliches Schutzgut dar. Sie befördern den öffentlichen Belang einer wohnortnahen Grün- und Erholungsnutzung und den Erhalt von Flora und Fauna auch in dicht bebauten Stadtgebieten. Als Konnex dieser öffentlichen Privilegierung sind einerseits die Pachten sehr gering, weil die Kleingärtner eine dem Gemeinwesen dienliche Aufgabe erfüllen, und zugleich unterliegt die Nutzung der Parzellen gemäß Bundeskleingartengesetz auch zahlreichen eng gesetzten Beschränkungen. Auch die Schaffung von Wohnraum ist an sich eine für das Gemeinwesen förderliche Angelegenheit. Im Konkreten ist der „Eigenheimbau“, den Sie in der Form einer Wohnungseigentümergemeinschaft betreiben, eine privatnützliche Wirtschaftstätigkeit. Das von Ihnen geschaffene Wohneigentum unterliegt keinen öffentlichen Bindungen und Verpflichtungen und ist grundsätzlich frei durch Sie vermarktbar.

FNP kein Ausdruck des öffentlichen Interesses?
Sie stellen mit Verweis auf die Darstellung im Flächennutzungsplan fest, dass Ihr Vorhaben doch im Einklang mit den öffentlichen Zielen und Interessen stünde. Diese Ableitung aus dem FNP ist nicht tragfähig. Richtig ist, dass im FNP für den Bereich nördlich der Brehmestraße als Ziel „Wohnen“ ausgewiesen ist. Falsch ist Ihre Annahme, dass damit das aktuelle Interesse der öffentlichen Hand definiert sei. Der FNP stellt die unverbindliche strategische Rahmenplanung des Landes Berlin dar. Dort sind auch sehr viele andere Potenzialflächen für den Wohnungsbau im Bezirk Pankow ausgewiesen, um zukünftige Bedarfe decken zu können. Heute und in naher Zukunft soll auf den meisten keine Bebauung stattfinden. Auf diesen Flächen gibt es ganz überwiegend kein Baurecht, so dass ohne aktives Mitwirken des Bezirks (B-Plan) auch keine Bebauung stattfinden kann.

Im Fall der von Ihnen angefragten Kleingartenfläche an der Brehmestraße hat das Stadtplanungsamt eine andere planungsrechtliche Einschätzung getroffen und Ihre Frage im Vorbescheidsantrag, ob diese Fläche nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) mit einem Wohnhaus bebaut werden könne, bejaht. Dieser Bescheid erging nach eingehender Prüfung der Rechtslage. Diese Bewertung ist, wie sie wissen, nicht unumstritten.

Sie ist eine Tatsachenentscheidung der Genehmigungsbehörde über die baurechtliche Gegebenheit und nicht Ausdruck des Gewünschten. Sie hatten einen Bescheidungsanspruch entsprechend der gegebenen Rechtslage, auch wenn der Bezirk die Realisierung Ihres Vorhabens an dieser Stelle für nicht wünschenswert erachtet.
Sie können den Politikern Pankows vorhalten, dass sie ihre Ziele nicht mit einer entsprechenden Änderung des Baurechts abgesichert haben. Ich kann Ihnen die Gründe, warum die Politiker des Altbezirks Pankow seinerzeit nicht die gesamte KGA Famos in den Geltungsbereich des B-Plan XIX – 61 einbezogen haben, nicht erläutern. Vielleicht wollte man angesichts der divergierenden FNP-Darstellung dem Konflikt mit dem Senat anfangs aus dem Weg gehen und sich die Konkretisierung der Ziele für das laufende Verfahren vorbehalten.

Vielleicht sah man auf Grund der öffentlichen Eigentümerschaft (DB) keinen akuten Handlungsbedarf. Das sind Vermutungen, gesicherte Erkenntnisse liegen mir dazu nicht vor. – Nunmehr wird der Bezirk seinen Zielen auch im Planverfahren XIX-61 Ausdruck verleihen. Das ändert an Ihren Rechten aus dem Vorbescheid nichts, dokumentiert aber das entgegenstehende öffentliche Interesse.
Der Erhalt des innerstädtischen Grüns der KGA ist ebenso wie der Erhalt und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für einkommensschwache Haushalte eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand. Dem ersteren steht Ihr Vorhaben entgegen und dem letzteren dient es nicht, da dies ein Eigentumswohnungsprojekt für Bürger mit höherem Einkommen ist. Das bedeutet nicht, dass Ihr Projekt an sich nicht unterstützendwert wäre. Nur versuchen Sie es am „falschen“ Ort unter Nichtbeachtung anderer privater und der öffentlichen Interessen zu realisieren. Andernorts hätte Ihr Vorhaben sicherlich mit sehr viel Zuspruch rechnen können,
aber bei solch einer Interessenkollision nicht.

Worin kann denn aus Ihrer Sicht eine „gütliche Einigung“ bestehen, die Sie wünschen?
Selbst wenn es Ihnen gelänge, alle Kleingartenpächter über finanzielle Abfindungen zur Aufgabe ihrer Parzellen zu bewegen, wäre die objektive Divergenz zu den öffentlichen Interessen, Erhalt des innerstädtischen Grüns von Kleingärten, zunächst unverändert. Einerseits erwägen Sie die Pächter „rauszukaufen“ und andererseits drohen Sie den Kleingärtner und dem Bezirk Pankow mit Rechtsanwälten, Gerichten und erheblichen Schadensersatzansprüchen. Wo sehen Sie da den Unterschied zu den „gewöhnlichen“ Immobilieninvestoren.

Ihre Bauherrengemeinschaft HuE hat Anspruch auf eine korrekte Behandlung auf Basis von geltendem Recht und Gesetz. Als Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung versichere ich Ihnen, dass Sie diese auch bekommen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten werde ich aber den Kampf der Kleingärtner der Anlage Famos und des Bezirksverbandes der Gartenfreunde Pankow um den Erhalt der 18 Parzellen an der Brehmestraße unterstützen. Die große öffentliche Resonanz (tausende Unterstützerunterschriften in kurzer Zeit), die dieser Kampf findet, sollte Ihnen zu denken geben, statt mit Verschwörungstheorien über wenige streitsüchtige Wühler sich den Blick für die Realitäten zu trüben.

Ich empfehle Ihnen, innezuhalten und zu überlegen, ob Sie tatsächlich gut beraten sind, Ihr Projekt mit aller Macht durchsetzen zu wollen. Haben Sie dann, sollten Sie obsiegen und die Kleingärten am Ende mit Ihrem mehrgeschossigen Wohnhaus überbauen, tatsächlich das Zuhause, das Sie sich errichten wollten? Sicher, die Zeit heilt alle Wunden, aber manchmal sind Nachbarschaften auch sehr nachtragend. Der andere Teil der Anlage Famos vor Ihrer Haustür würde lange bleibende Mahnung dieser Verwundung sein.

Ich hoffe, dass sich die ganze Baugemeinschaft zusammensetzt und alles noch einmal auf den Prüfstand stellt, vielleicht mit externer Beratung eines in Baugruppenprojekten erfahrenden Unbeteiligten.

Ich stehe Ihnen jederzeit zu einem Gespräch zur Verfügung.



Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michail Nelken

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