Dienstag, 17. Juli 2012

Der Erhalt der Kleingärten wird nicht vor Gericht entschieden

Bei der Güteverhandlung am Landgericht Berlin am Montag den 16. Juli 2012 ging es um die Kündigung der 18 betroffenen Kleingärten der KGA Famos in Pankow durch die Deutsche Bahn (DB Netz AG). Die Richterin richtete Ihre eindringlichen Fragen und Ihre Argumentation jedoch ausschiesslich an den gegen die Kündigung klagenden Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. und versuchte ihn zum einlenken zu bewegen. Fast hätte der Eindruck entstehen können, die Richterin habe sich mit der beklagten Partei, der DB Netz AG, bereits vorher abgesprochen, da sie an diese keine Fragen oder Appelle zu richten hatte. Sie wollte vielmehr einen Kompromiss erzwingen, der in jedem Fall zu einem Verlust der 18 betroffenen Kleingärten der KGA Famos in Pankow geführt hätte. Beide Parteien waren jedoch nicht bereit einen Kompromiss anzubieten oder gar zuzustimmen. Bei der Frage Eigentumswohnungen oder Kleingartenanlage ist ein Kompromiss schier unmöglich. Angesichts der Bedrohung von mehr als 70.000 Kleingärten in Berlin möchte die Immobilienwirtschaft uns jedoch das Opfer einer mehr oder weniger beliebigen Anzahl an Kleingärten immer wieder gerne als Kompromiss verkaufen.


Die Richterin kritisierte ausdrücklich die Feststellungsklage seitens des Bezirksverbands der Gartenfreunde Pankow e.V. Darin wurde bezweifelt dass die DB Netz AG überhaupt für die Kündigung der 18 betroffenen Kleingartengrundstücke der KGA Famos in Pankow zuständig und dazu berechtigt gewesen sei. Da der Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. die betreffenden Grundstücke von der Reichsbahn, die 1994 aufgelöst wurde, bereits im Jahr 1993 gepachtet habe, und die Pacht seitdem an die Bahn-Landwirtschaft Bezirk Berlin e.V. weiterleite und über eine Zuständigkeit durch die DB Netz AG nicht informiert worden sei. Die Bahn-Landwirtschaft Bezirk Berlin e.V. ist bekannt als eine „betriebliche Sozialeinrichtung der Deutschen Bahn und des Eisenbahnvermögens“, die in dieser Form seit 1950 besteht und deren Vorläufer bereits seit 150 Jahren existiert. Die DB Netz AG wurde dagegen erst 1999 gegründet, also 6 Jahre nach Abschluss des Pachtvertrages.

Nach Auffassung der Richterin sei die Feststellungsklage sinnlos und widersprüchlich, da die DB Netz AG als Beklagte und somit auch als rechtmäßige Vertretung des Grundstückseigentümers Deutsche Bahn, durch die Erstellung der Klageschrift gegen die erfolgte Kündigung, bereits formell anerkannt worden sei, und der Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. schließlich auch mit der Bahn-Landwirtschaft Bezirk Berlin e.V. keine Verträge abgeschlossen habe. Die Feststellungsklage, die später an die Klage gegen die Kündigung angehängt worden sei, führe jedoch an der Sache vorbei, da sie ausschließlich beklage die DB Netz AG sei nicht zuständig und falls doch könne man ja noch andere Gründe nachschieben.

Die Rechtsanwältin des Bezirksverbands der Gartenfreunde Pankow e.V. konnte der Richterin entgegensetzen, dass der Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. nie über die Zuständigkeit durch die DB Netz AG informiert worden sei, und dies hiermit schliesslich geklärt werden müsse.

Der Anwalt der DB Netz AG folgte der Ansicht des Gerichts und wies darauf hin, dass die DB Netz AG die Rechstnachfolgerin der Reichsbahn sei, die ursprünglich die Verträge mit dem Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. abgeschlossen habe, und somit sei die Feststellungsklage abzuweisen.

Zur eigentlichen Klage des Bezirksverbands der Gartenfreunde Pankow e.V. gegen die Kündigung der Pachtverträge für die 18 betroffenen Kleingärten der KGA Famos in Pankow durch die DB Netz AG vertrat die Richterin die Auffassung, dass keine Aussicht auf Erfolg bestünde auch wenn sich die Klage bis zum Bundesgerichtshof über fünf bis sechs Jahre hinziehen könne da letztendlich zweifelhaft wäre, ob es sich bei den betroffenen Grundstücken überhaupt um Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes handle. Kleingärten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR seien nämlich vermutlich gar keine Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, da die ehemalige DDR schliesslich alles Mögliche als Kleingärten bezeichnet hätte und im Zuge der Vereinigung 1990 niemand eine Bestandsaufnahme darüber gemacht habe, was davon überhaupt als Kleingarten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes, durchgehe.

Eine Klage die eine Berücksichtigung der Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes voraussetze, habe somit nach Ansicht der Kammer beim Landgericht Berlin keinerlei Aussicht auf Erfolg. Im übrigen sei es nicht Aufgabe der Gerichte zu entscheiden, ob da gebaut werden dürfe oder nicht, oder ob die Gebäude 1,5 Stockwerke überschreiten dürften, bei der Verhandlung ginge es lediglich darum, ob die Kündigung rechtswirksam sei, und wenn das Bundeskleingartengesetz hier nicht anwendbar sei, handle es sich um ein ganz normales Pachtverhältnis, das jederzeit gekündigt werden könne, unabhängig davon, ob da gebaut werden dürfe oder nicht, dies sei Sache der Politik und des Flächennutzungsplanes.

Ob die Unterpächter dort „Tomaten anpflanzten“ sei irrelevant. Entscheidend, ob es sich bei den 18 betroffenen Grundstücken in Pankow um Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes handle, seien die Pachtverträge von 1993 und ob die Gärten bereits zu diesem Zeitpunkt als solche erwähnt, anerkannt und weitergeführt worden seien, schliesslich seien die Grundstücke dort im Flächennutzungsplan als Bauerwartungsland ausgewiesen.

Der Rechtsanwalt des Bezirksverbands der Gartenfreunde Pankow e.V. Dr. Beckmann wies darauf hin, dass die Kleingartenanlage Famos, die im übrigen schon seit 1921 dort Kleingärten betreibe, als solche im Flächennutzungsplan keine Erwähnung fände, weil dies aufgrund Ihrer Größe von 0,5 hektar unmöglich sei, da im Flächennutzungsplan nur Flächen ab 3 bis 5 hektar Erwähnung fänden und dass die kleinen Parzellen durchaus auch anders genutzt sein könnten, als es im Flächennutzungsplan ausgewiesen ist. Die Katasterauszüge und die dazugehörigen Luftbilder würden belegen, dass die 18 betroffenen Grundstücke schliesslich als Kleingärten genutzt würden und wurden und dass sie offensichtlich kein Bauland seien. Der Bauvorbescheid sei irrtümlich erfolgt und zu der mittlerweile erteilten Baugenehmigung seien dem Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. noch keine näheren Einzelheiten bekannt.

Ein Vergleich mit den Beklagten wurde vom Bezirksverband der Gartenfreunde Pankow e.V. nach kurzer Beratungspause abgelehnt. Der Rechtsstreit wird somit fortgesetzt. Zahlreiche betroffene KleingärtnerInnen der KGA Famos konnten dem vorherrschenden zynischen Umgang mit ihnen und ihren Gärten, die über ihre Köpfe hinweg verschachert wurden, nichts abgewinnen. Protest wurde laut als die Richterin verkündete, dass die vorangegangene Mediation am 17. April 2012 beim Landgericht Berlin, zu der sie ausdrücklich nicht eingeladen wurden, durchaus auch dazu gedacht war, ihnen Gehör bei Gericht zu verschaffen.

Einige Anleger der sogenannten Baugruppe „Himmel und Erde“ wähnten sich im Laufe der Verhandlung bereits am Ziel, da Sie die Grundstücke von der Deutschen Bahn zu einem Spottpreis erstanden haben. Da ihnen offenbar bereits jetzt eine Baugenehmigung erteilt wurde, erscheint ihnen der Kauf in jedem Fall profitabel, da die Grundstückspreise weiter steigen werden. Ob der Baubeginn im Herbst oder erst in 5 bis 6 Jahren erfolgt, schien die anwesenden „young urban professionals“ nicht im geringsten zu beunruhigen. Sie verhöhnten die empörten KleingärtnerInnen im Saal und verkündeten, dass früher oder später ihre eigenen Kinder dort in deren Gärten spielen würden, als könnten sie die Feigenblätter in den betonierten Hinterhöfen mit Berliner Kleingärten vergleichen.

Die Vernichtung der Grünzüge durch Immobilienspekulation muss verhindert werden und die Auseinandersetzung darum wird nicht vor Gericht entschieden. Die Betroffenen sind am Ende wir alle, die gesamte Bevölkerung muss sich dem immer wieder stellen und der Kampf darum wird auch niemals enden. Es wird immer wieder Kräfte geben, die Grünflächen als billiges Bauland betrachten. Letztlich liegt es an uns allen ob die mehr als 70.000 Berliner Kleingärten erhalten bleiben.



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