Sonntag, 3. Juli 2011

So viel Protest! Und das ist erst die Vorspeise!

Über 2500 Kleingärtnerinnen und Kleingärtner versammelten sich am Montag den 27.6.2011 am Bahnhof Zoo um gegen die Vernichtung von Berliner Kleingärten zu demonstrieren. Auf  ihrem  Protestmarsch zur Urania forderten sie den dauerhaften Erhalt der noch bestehenden 75 000 Kleingärten in Berlin, die immer mehr von Bebauung bedroht sind.  
Auf der anschließenden Landesgartenkonferenz waren neben dem Bundesverband und Landesverbänden,  Politiker aller Parteien, Wissenschaftler und der BUND gekommen um ein Umdenken zum Erhalt der Kleingärten einzufordern und die soziale und stadtökologische Bedeutung von diesen gewachsenen Grünflächen deutlich zu machen. Seit den sechziger Jahren hat sich die Anzahl der Gärten in Berlin halbiert und ein großer Teil davon ist immer noch als Bauerwartungsland ausgewiesen. „Das muss aufhören“ - so der Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde Berlin Peter Ehrenberg. Man dürfe keinen einzigen Garten mehr für Wohnungsbau opfern. Es stehen genügend vorhandene Flächen zur Verfügung. Berlin muss mit dem Kleingartenwesen seine einzigartige Entwicklungsgeschichte bewahren. Prof. Dr. Klaus Neumann von der Technischen Hochschule in Berlin, Gutachter des Bundesministeriums für Bildung und Forschung  und Träger des Bundesverdienstkreuzes hob neben der ökologischen auch die ökonomische und
kulturelle Bedeutung von Kleingärten hervor. Die Regierung trage auch eine Verantwortung für die ökologische Stadtentwicklung besonders vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen  in die Stadt ziehen und sich durch den Klimawandel die Temperatur in den Sommermonaten durchschnittlich stetig erhöht.
Die Kleingärten in Form von Grünzügen entlang der Bahnlinien übernehmen dabei eine wichtige Funktion bei der Ableitung der warmen Luft aus dem Innenstadtbereich. So verfügt  die Stadt Berlin durch die Kleingärten über ein 2500 ha großes Areal an ehrenamtlich gepflegten Grünflächen, für die keine Kosten entstehen, was im Zuge des auch zukünftig weiter sinkenden Stadtbudgets von enormer finanzieller Bedeutung ist. Der kulturelle Stellenwert eines Gartens lässt sich nach Prof. Neumann  ohne weiteres mit der Berliner Philharmonie oder der Museumsinsel vergleichen, wenn man die Auswahl an Wochenendaktivitäten der Berliner zu Grunde legt. Derzeit gibt es ca. 300 000 Kleingärtner einschließlich deren Familien in Berlin. Und diese Menschen, die sich heute für einen Kleingarten in der Stadt entscheiden, so zitiert er sogar die angesehene Wochenzeitung „Die Zeit“ sind keineswegs rückständig und spießig sondern sind Eltern mit einem ökologisches Bewusstsein, die wollen, dass ihre Kinder auch in der Stadt wohnungsnah, naturnah spielen und aufwachsen können und sich gesund und umweltbewusst ernähren. Kleingartenwesen in der Stadt bedeutet heute Naherholung, Lebensqualität und urbane Landwirtschaft. 
Der Präsident des Landesverbandes der Gartenfreunde Herr Ehrenberg bemerkte dazu den Widersinn, dass bei der Wohnungsbauplanung heutzutage die Innenhöfe und die Dächer  als Grünräume gestaltet werden sollen und man im Gegenzug Kleingärten für Wohnungsbau vernichtet. Der Vorsitzende des BUND kam  auch noch auf die emotionale Komponente zu sprechen, die eine nicht unwesentliche Rolle darstelle, wenn man selbst miterleben kann, wie sich ein Garten, eine ökologische Nische, ein kleines Biotop über Jahrzehnte entwickelt. Dr. Gregor Gysi von den Linken bestätigte die Einschätzung der Vorredner und sprach zudem von der Notwendigkeit endlich dieses Vorurteil vom Kleingärtner als provinziellen, kleinbürgerlichen Berliner wegzuräumen und endlich anzuerkennen welche ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Bedeutung die Kleingärten ausmachen. Außerdem hatte Herr Dr. Gysi auf Wunsch des Landesverbandes Kontakt mit dem Chef der Deutschen Bahn aufgenommen, welches wohl gemerkt ein Bundesunternehmen ist, um den Verkauf von Kleingartenflächen für Bauvorhaben zu verhindern und in Landeseigentum zu übertragen. Die Bahn lehnte dies ab. Obwohl sie nach eigenen Angaben an den Gartenflächen nichts verdiene, habe sie keinerlei Absicht den Kleingärten zu kündigen. Ein solches Anliegen bestehe nicht und jedwede Gerüchte in diese Richtung sind falsch! Laut Dr. Gysi sind diese schriftlichen Äußerungen zwar  nicht juristisch verbindlich, bieten aber die Möglichkeit die Bahn unter moralisch Druck zu setzten, falls diese konkret Flächen verkaufen will. Er forderte abschließend den Schutz der Kleingärten in die Verfassung auf zunehmen, damit sämtliche Diskussionen über Schutzfristen hinfällig würden. Anschließend bekundeten die Mehrzahl der anwesenden Regionalpolitiker sich für den dauerhaften Erhalt der Kleingärten in Berlin ein zusetzten. 
Angesprochen auf den aktuellen Stand zur Kündigung von Teilen der  KGA Famos durch die Deutsche Bahn sicherte Herr Ehrenberg der Präsident des Landesverbands seine volle Unterstützung zu und sagte, dass zusätzlich ein Anwalt durch den Landeskleingartenverband eingeschaltet wurde um die betroffenen Kleingärtner zu unterstützen. 
Herr Ehrenberg sagte abschließend: Der heutige Protestmarsch war nur die Vorspeise. Weitere Protestmärsche werden folgen. Genauso wie das Brandenburger Tor gehören auch die Kleingärten zu Berlin! 
 
Text: Annette, Fotos: Gudrune